Ein Beitrag von Elisabeth Addicks, Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung (ESE) e.V.
Neuankommen und Integration in Deutschland haben in den vergangenen Jahren Diskussionen über die Förderung von Interkultureller Kompetenz ausgelöst. Viele Angebote, die den Zugang zur deutschen Gesellschaft und Kultur erleichtern sollen, konzentrieren sich häufig darauf, vermeintliche Nachteile der Neuankommenden abzubauen. Das Projekt „Die Kultur-Übersetzer*innen“ aus Münster sieht hingegen die erweiterten Sichtweisen und Kompetenzen dieser Gruppe als Vorteil für die Gesellschaft. Gerade im schulischen Bereich gilt es die Stärken aller zu nutzen, um dadurch ein Miteinander und angenehmes Lernklima zu entwickeln.
Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung (ESE) e.V. hat gemeinsam mit dem Amt für Schule und Weiterbildung der Stadt Münster ein Konzept erarbeitet, mit dem Jugendliche mit Migrations- und Fluchterfahrung eine Zusatzkompetenz als kulturelle Mediator*innen erwerben können. Das Angebot richtet sich an Jugendliche, die an ihren Schulen als Ansprechpartner*innen für Neuankommende agieren wollen. Die Motivation, sich außerschulisch zu engagieren, ist meist sehr hoch, denn viele Jugendliche haben sich zum Ziel gesetzt, Ausgrenzung, Sprachlosigkeit, Kultur-Schock und Einsamkeit neuer Schüler*innen möglichst frühzeitig entgegenzuwirken.
In ihrer Ausbildung zum/zur „Kultur-Übersetzer*in“ können sie sich frei zu diesen Themen äußern und ihre Erfahrungen teilen. Ihre Interkulturelle Kompetenz wird dabei nach ethnologischem Verständnis und anhand persönlicher Biografie geschärft: Sie lernen kulturelle Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, Fremdheit offen zu begegnen sowie Situationen der interkulturellen Begegnung zu reflektieren.
Aufbauend auf ihre bereits gemachten Erfahrungen erarbeiten die Schüler*innen Wege, wie über schulisches Systemwissen aufgeklärt, Sprachbarrieren überwunden sowie mit unterschiedlichen Vorstellungen von Lehr- und Lernmethoden umgegangen werden kann. Neben der Förderung ihrer Interkulturellen Kompetenz wird den Jugendlichen aber auch ihre Migrationserfahrung als Vorteil und Ressource nähergebracht. Gerade hier setzt sich das Projekt zum Ziel, das kulturelle (Selbst-)Bewusstsein nachhaltig zu stärken.
Die Herausforderung – das Projekt in den Schulalltag zu implementieren – nehmen die Kultur-Übersetzer*innen und interessierte Lehrkräfte gemeinsam an. In Coachings werden Sichtweisen, Ideen und Wünsche ausgetauscht, um einen Plan für die jeweilige Schule zu entwerfen. Hier finden sich kreative Ideen, wie Kennenlern-Cafés, Kultur-AGs, Spiele-Nachmittage, Theater oder Projekttage. Einige Kultur-Übersetzer*innen werden gezielt im DAF-Unterricht vorgestellt oder als Sprachpat*innen zur Seite gestellt. Durch ihre Mehrsprachigkeit und ihr kulturelles Wissen stehen die Kultur-Übersetzer*innen auch Lehrkräften beratend zur Seite. Um das Projekt langfristig an den Schulen zu sichern, sind die Jugendlichen und Lehrkräfte aufgefordert, Wege für einen kooperativen Umgang mit kultureller Diversität zu finden.
Bereits neun Münsteraner Schulen haben bis Ende 2019 die Möglichkeit für ihre Schüler*innen wahrgenommen, um neuen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu ihrem schulischen Umfeld zu erleichtern.
Mehr zum Projekt “Die Kultur-Übersetzer*innen” von ESE e.V. finden Sie hier: http://www.ese-web.de/kinder-jugendbildung/projekt-kulturuebersetzerinnen/